Sophia Kondulimo und ihre Kinder

Du sinkest, Missolunghi, und liegst in Trümmern nun,
Bezeichnend nur den Friedhof, wo deine Helden ruhn;
Einziehend jauchzt der Moslim, der unserm Glauben flucht,
Und strauchelt über Leichen, wo er nach Sklaven sucht.

Sophia Kondulimo, die nun verwitwet stand, –
Ihr Gatte war gestorben den Tod fürs Vaterland –
Drückt ihre beiden Kinder an ihr gebrochnes Herz,
Und mißt die nächste Zukunft mit grenzenlosem Schmerz.

Die blühnde Jungfrau gleichet an hoher Schönheit Ruhm
Der goldnen Aphrodite vom blinden Heidentum;
Nicht Jüngling noch zu nennen, der Knab entschüttelt kaum
Der blondgelockten Stirne den frohen Kindheitstraum.

»Auf, auf! der wüste Lüstling, der Türke stürmt herbei;
Noch steht ein Tor uns offen, ob wohl noch Rettung sei?
Nimm, Sohn, des Vaters Waffen, du – gestern noch ein Kind,
Es spricht die Zeit dich mündig, nun sei, was Männer sind!

Der Schande gilt's zu wehren, die gräßlich uns bedroht,
Wir fliehen vor der Schande, wir fürchten nicht den Tod;
Den letzten Schuß verwahrst du auf meinen Wink bereit,
Ich werde dir bezeichnen das Ziel und auch die Zeit.«

Es wälzt sich durch die Straßen, bedrängt von der Gefahr,
Der Witwen und der Waisen verzweiflungsvolle Schar,
Und flüchtend zu den Bergen ergießt sie sich durchs Feld,
Und wird in vollem Jammer vom Brand der Stadt erhellt.

Berittne Haufen schweifen und stellen auf dem Plan,
Sich Sklavinnen zu fangen, ein Menschentreiben an. –
O weinet, meine Augen! ich kann im Elendmeer
Sophia mit den Ihren nicht unterscheiden mehr.

Dort taucht sie aus der Menge, dort, bei der Bergesschlucht;
O rette deine Kinder, beflügle deine Flucht!
Es brechen Menschenräuber dort aus dem Hinterhalt,
Und feldwärts jagen Reiter herbei mit Sturmgewalt.

Zu spät! Die Schmerzenreiche ermißt, was kommen muß;
Der Sohn, des Winks gewärtig, bereitet sich zum Schuß,
Und sie – verhüllt ihr Antlitz, und ruft: »Der Türke naht! –
Dein Ziel – der Schwester Busen!« – Geschehen ist die Tat.

Stumm liegt zu ihren Füßen die göttergleiche Maid,
Von deren Herzens-Blutquell sich gräßlich färbt ihr Kleid.
»Hinweg, hinweg! Sie ruhet gesichert so vor Schmach,
Hinweg vor dem Entsetzen, wovor das Herz uns brach.«

Sie sind nur wen'ge Schritte noch weiter ab geflohn,
Da sinkt an ihrer Seite verwundet auch der Sohn,
Und wie in ihren Armen sie ihn zu bergen glaubt,
Da blitzt ein Türkensäbel hernieder auf ihr Haupt.

Sie deckt den zarten Sprößling mit ihrem eignen Leib:
»Halt an: Und siehest, Unmensch, du nicht, ich bin ein Weib!«
Der Türke hält, getroffen vom Mutter-Angstgeschrei,
Und sparet die Gefangnen für harte Sklaverei.

Woher auf jenem Eiland das freudige Gewühl?
Sie küssen dort den Boden mit frommem Dankgefühl.
Ja, Eynards Boten eilten zur blutgedüngten Statt,
Die Griechen-Sklaven sind es, die er erkaufet hat.

Sophia Kondulimo, du Schmerzensmutter, hier,
Und auch, den du gerettet, der Sohn zur Seite dir?
Bist du zu längerm Jammer hienieden aufgespart,
Das blut'ge Bild der Tochter in steter Gegenwart?

Noch bringen andre Schiffe der Freigekauften viel,
Und viel des bittern Elends erreicht der Hoffnung Ziel;
Der junge Kondulimo, gemischt in ihre Schar,
Teilt Freud und Leid mit jedem, den Griechenland gebar.

»Wer bist du, Licht der Jungfraun? O wäre nicht geschehn,
Was selbst doch ich vollbrachte, ich dächte dich zu sehn;
O Schwester! – ja du bist es, ja, meine Schwester du!
Nun führ ich selbst der Mutter die Neugeborne zu!«

Eynard, du Freund der Menschheit, du segenreicher Mann,
Den auch der Dichter preisend nicht höher ehren kann,
Er beugt vor dir sich schweigsam und zollet dir gerührt
Mit Tränen frommer Ehrfurcht den Dank, der dir gebührt.

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