Die Menschenalter

An unsrer Wiege grüßen uns die Horen,
Den Säugling küßt des Morgens Rosenlicht,
Und weinend grüßt sein erster Blick Auroren,
Er fühlt des Daseyns schöne Stunden nicht.

Der Knabe jagt, gleich losgelassnen Winden,
Dem Schmetterling wie einst dem Glücke nach.
Das Mitleid lehrt ihn trösten und empfinden.
Sein Herz ist, wie sein Wille, weich und schwach.

Dies weiche Herz, für jeden Eindruck offen,
Wird von des Jünglings Thränen angeklagt;
Er lernt den Trost zu weinen und zu hoffen,
Doch fühlt er schon wie viel das Glück versagt.

Die Hoffnung ging mit ihm aus seiner Wiege
Und malt’ ihm seiner Zukunft Feenland,
Bis dieser Traum, des Glückes schöne Lüge,
Im kalten Arm der Wirklichkeit verschwand.

Im Sturme, wie der Kahn im Oceane,
Wankt er am Arm des Zufalls ungewiß,
Im Hauch der Zeit entflattern seine Plane,
Der kalt und rauh die Täuschung ihm entriß.

Der Mann tritt in des Lebens heiße Zone,
Hier welkt der Blüthenkranz der Phantasie.
Er sucht und bricht der Weisheit Lorbeerkrone,
Und hascht das Schattenbild der Wahrheit nie.

Er bindet der Erkenntniß volle Garben,
Des kurzen Tages dürftigen Gewinn.
Doch streut der Abend seine blassen Farben
Schon auf des Sammlers goldne Aerndte hin.

Gleich Bienen, die am weichen Halm sich wiegen,
Wankt hier der Greis, vom Hauch der Nacht berührt.
Ihn führt der Tod, wo Frühgefallne liegen,
Wie Blumen, die der Abendwind entführt.

Und spielt am hohen Gras, im nächsten Lenze,
Um der Geschiednen Grab der Abendwind,
O! so verweht er ihre Todtenkränze,
Und niemand weiß, wo sie begraben sind.

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